Rurseemarathon – ein eisiges „Vergnügen“

3. November! Heute war es endlich soweit! Heikos und mein Marathondebüt sollte stattfinden, für Adrien war es dann immerhin noch der erste hügelige Marathon. Nach einer hervorragenden Pasta-Party am Vorabend (vielen Dank nochmal Eric!) klingelte um 6:55 der Wecker. Marathonmorgen! Ein Blick nach draußen verrät: Es hat zumindest aufgehört zu regnen! Gute Vorzeichen! Nach spärlichem Frühstück mit für meine Verhältnisse viel zu wenig Kaffee, wurden die Sachen gepackt und es ging auf zum Treffpunkt. Vereinzelte eisige Böen gaben bereits einen Vorgeschmack auf das, was da noch kommen konnte. Um 9:00 Uhr endlich mit alle Mann im Auto sitzend, ging es auf in Richtung Simmerath/Einruhr. Auf Grund leichter Weg-Findungs-Probleme kamen wir erst gegen 9:50 Uhr an. Parkplatz finden. Umziehen. Die Nervosität steigt so langsam an. Noch genug Zeit die Startnummern abzuholen und unser Gepäck zu verstauen. Schließlich stehen wir im Starterfeld. Adrien besteht auf ein Vorher-Foto, ich selbst empfinde die Situation zunehmend als unwirklich

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Endlich! Der Startschuss! Und los geht’s! Bei leichtem Wind, wechselhafter Bewölkung und 4°C laufen wir hinein ins „Vergnügen“. Die ersten Kilometer laufen sich extrem locker, auch wenn ich meine Mitstreiter bereits früh aus den Augen verliere, fliegen der Wald und die Kilometer nur so vorbei. Es fällt mir schwer mich zu bremsen, aber schon bald taucht die Urfstaumauer als Mahnmal auf. Die Enge des Weges und die extreme Steigung lassen die Staumauer als Nadelöhr fungieren, sodass fast jeder, mich eingeschlossen, die Mauer gehend erklimmt, was nichts daran ändert das mein Puls trotzdem über die 190 schießt. Schnaufend und prustend oben angekommen werden wir mit einem herrlichen Ausblick und ein wenig Sonne belohnt. Weiter geht’s ein paar flache Kilometer am Ufer entlang, bis uns der längste Anstieg des Marathons erwartet.  Die Steigung ist flacher als befürchtet und ich bin noch frisch, also macht sie keine großen Probleme und ich kann mich schon bald über die erste Verpflegungsstation freuen. Tee, Banane und weiter. Nach weiteren 5 Kilometern, eine weitere Verpflegungsstation und schon war Halbzeit: 1:41:07. Ich bin (zu) schnell unterwegs. Langsam kommen die ersten Weh-Wehchen. Bei Kilometer 22 tauchen zum ersten Mal stechende Schmerzen im Mittelfuß auf. Ich laufe weiter und denke das vergeht schon wieder und tatsächlich auf gerader Strecke habe ich wenig Probleme. Doch der Rurseemarathon zählt nicht umsonst zu den hügeligeren Marathons in Deutschland und so lässt die nächste Steigung nicht lange auf sich warten. Bergab schleppe ich mich nun schon mehr mit Schmerzen als das ich laufe und ab Kilometer 27 wird es auch auf der Geraden schon deutlich schwieriger. Verdammt! Der Mann mit dem Hammer ist zu früh! Der war eigentlich erst für Jenseits der 32 km eingeplant. Jetzt kämpfe ich mich eigentlich nur noch von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation und traue mich nicht das mitgeführte Gel zu mir zu nehmen, da ich trotz regelmäßigem Trinken zunehmend dehydriert bin. Langsam fangen auch die Muskeln an zu krampfen. Ich werde langsamer. 34 km – 2:55, das wird eng mit den angepeilten 3:45. Der Schmerz im Mittelfuß nimmt zu und tritt nun auch im anderen Fuß auf. Ich sehe mich gezwungen bald eine Gehpause einzulegen, ringe mir aber selbst das Versprechen ab, bis Kilometer 37 zur gefürchteten „Höhe Rurberg“, einer 500 m langen Rampe mit 20% Steigung, durchzuhalten. Ich stelle mir vermehrt die Frage: „Warum tust du dir das eigentlich an?“, – Eine Antwort bleibe ich vorerst schuldig. Endlich an der Rampe angekommen. Gehen… Schnaufen… Schmerzen… Es sind nur noch 4 km. Fast nichts – und mir doch fast unüberwindbar erscheinend. Einmal mit dem Gehen begonnen, erscheint es immer verlockender und so lege ich an dem nächsten Anstieg erneut eine Gehpause ein, auch wenn er verhältnismäßig flach war. Langsam zieht der ein oder andere an mir vorbei. Ich sammle erneut alle verbliebenen Körner, suche nach dem letzten Rest Ehrgeiz und fange wieder an zu traben. Plötzlich, in der Ferne, ca. 1,5 km vom Ziel kann ich Einruhr, unseren Start und Zielort erblicken. Ein letztes Aufbäumen. Ich beschleunige meine Schritte. Der Schmerz dringt mir nur noch dumpf wie aus einem anderen Körper ins Bewusstsein.

IMG_0124Wie benommen biege ich um die letzte Kurve. Im Ziel: 3:43:24. Ich hab es geschafft. Völlig erschöpft lasse ich mich auf eine Bank sinken, während Adrien, welcher in 3:30:45 ins Ziel kam, mich mit Tee und Wasser verpflegt. Jetzt merke ich den schneidend kalten Wind und beschließe meine Sachen zu holen. Der jämmerliche Versuch aufzustehen lässt es schier unglaublich erscheinen, dass ich bis vor wenigen Minuten noch gerannt bin. Schließlich gelingt es mir doch und gut eingepackt harren Adrien und ich Heikos Zieleinlauf. Mittlerweile hat es auch leicht zu regnen begonnen, sodass es zunehmend unbehaglicher wird. Schließlich kommt auch Heiko in 4:10:44, einen vergleichsweise fitten Eindruck machend, ins Ziel. Wir haben es geschafft! Komplett! Erfolgreich! …

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Adrien hat einen hervorragenden 1. Platz in der Altersklasse erreicht und somit mit Sicherheit unsere Sache vom Treppchen aus bekannter gemacht. Ich habe es nach gefühlten 100 Versuchen unter Krämpfen geschafft mich meiner Kompressionssocken zu entledigen und Heiko kann, mit dem Wissen in der Lage zu sein einen Marathon laufen können, nach Neuseeland fahren. Schließlich haben wir alle die Antwort auf die Frage gefunden, warum wir uns das eigentlich antun: – weil wir es können! Als Statement für Menschenrechte, für uns selbst und für einen guten Zweck! In diesem Sinne bin ich um einige Erfahrungen und Glücksgefühle reicher und freue mich schon auf Madrid.

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